Die journalistische Gehirnschmelze und die echte Hilfe in Japan

Es ist unfassbar. Anstatt sich Gedanken um das unglaubliche Aussmass des menschlichen Leids in Japan zu machen, bewegt die allermeisten Redaktionen in Deutschland nur die Sorge möglichst viel Quote/Auflage zu erzielen.

Der wichtigste journalistische Grundsatz wird gänzlich vergessen. Aufklärung und das mit einfachen Worten. Dabei hat die Panikmache und gezielte Angstmanipulation durchaus System. Lebt ja gerade in Deutschland eine ganze Armada an journalistischen Tieffliegern von den täglichen Phantasien und absichtlich verfälschten Wahrheiten.

Tatsache ist, dass in Japan die Reaktoren nicht das Problem Nummer Eins sind. Allerdings wundern sich ausländische Journalisten derzeitig über die einseitige Berichterstattung bei uns.
Denn der Reaktorunfall in Japan ist quasi in Deutschland passiert. Bei uns steigt die Strahlung stündlich an – Nein nicht die Nukleare, sondern die, die bestimmte Areale im Gehirn besonders in Mitleidenschaft zieht. Fukushima ist im Grunde in Deutschland explodiert.

Garniert wird das Ganze mit Vokabeln, die dem Leser das Blut in den Adern gefrieren lassen. Also lasst uns zuerst einmal unsere Gehirne wieder abkühlen.

Ein einziger Mann in Deutschland behält in diesen Tagen einen kühlen Kopf und versucht mit stoischer Ruhe der Hysterie entgegen zu wirken. WDR-Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar. Er fasst es beim Talk mit Anne Will in einem Satz zusammen:

Es gibt sehr viele Japaner, die ein echtes Problem haben.

Statt dass wir an diese Menschen denken, fangen wir an, alte, ausgegorene Debatten zu führen
Fast täglich erklärt Ranga Yogeshwar seinen Zuschauern immer wieder die Prozesse in solchen Reaktoren und was aktuell passiert. Dann folgt seine Einschätzung der Gefahrenlage für Deutschland. Er sagt ganz klar, dass für uns keine Gefahr einer erhöhten Strahlenlage besteht.

Experten nennen diesen Zustand das sogenannte Stimmungsmanagement. Ein Zuschauer schaut sich gezielt die Sendungen an, die seine momentane Stimmungslage widerspiegelt. Und nehmen wir mal die Zeitung mit den ganz grossen Buchstaben, die in der Hauptsache für Menschen schreibt, die sich nicht mehr Mühe machen eigene Gedanken zu entwickeln.

Da lesen wir nur noch Horror, Untergang, Schmelze, Strahlung.

Und da ist es wieder – ein Deja-Vus. Wie war das Ende letzten Jahres als es plötzlich von Terrorbedrohungen nur so wimmelte. Als auch der letzte verstrahlte Moderator sich nicht entblödete und uns allen Ernstes erklärte … “ Die Terroristen sitzen bereits im Flugzeug und treffen in 2 Stunden ein…“
Das war kein Spass. Alles gutgeplante Angststrategie. Ach und irgendwie stellen wir im Nachinein fest, dass doch nichts passierte. Damals. Oder?
Aber Quote und Auflage hat es allemal gebracht.

Nun ist es wieder soweit. Gleiche Strategie. Endzeitvokabular. Nur ein anderes Thema. Doch es hilft kein noch so geschicktes Herbeireden. Irgendwie klappt das mit der Katastrophe hier in Deutschland nicht – Oder doch? Zumindest lässt sich ein Grossteil der Deutschen anstecken und das ist dann für die Drahtzieher auch OK. Wie sonst ist erklärbar, dass Geigerzähler, Gasmaske & Co nahezu ausverkauft sind?

Was wir uns immer wieder vor Augen halten müssen, ist der Fakt, dass Medien nicht von Sonnenscheinthematiken leben. Sie sind auf Dramatik aus. Und wenn es nicht genügt, dann wird eben alles noch ein wenig „gepushed“.
Solche Redakteure haben keinen kühlen Kopf mehr. Die journalistische Gehirnschmelze hat längst begonnen.
Diese ganze Panikmache ist unmoralisch und nicht zu vertreten.
Wer sich davon anstecken lässt, dem kann nicht mal mehr Ranga Yogeshwar mit seiner wirklich guten Sendung helfen.

Nachtrag Aktuelles:

Die Menschen in Japan brauchen Hilfe und das real in Form von Essen, Wasser, Kleidung, Medikamente, Unterkünfte. Befreundete Journalisten, mit denen wir vor Ort in Tokio über Internet Kontakt haben, schreiben unmissverständlich:

Wir haben grosse Angst vor Nachbeben. Die Menschen haben nichts zu essen. Es fehlt an Wasser. Es fehlt am Nötigsten. Einige Regionen werden mit der amerikanischen Pazifikflotte mit Bordverpflegung versorgt.

Dazu erreicht uns eine Mail aus Hawaii:

Die USS McCampbell trifft am 11. März an der Küste von Myagi und Iwate nördlich von Sendai ein und nimmt dort die Patrouillenfahrt auf. Die Mannschaft gibt alles an die notleidenden Menschen ab, was sie nicht dringend benötigt. 1500 Pfund – in der Hauptsache Decken, Kleidung, Hygieneartikel, Essen, Wasser aus dem persönlichen Besitz der Crew. Zusätzlich wurden 8.000$ gesammelt um aus dem schiffseigenen Shop alles Notwendige kaufen zu können und an Bedürftige weiterzugeben.

Ein Bild der USS McCampell auf dem Flickr-Account der Pazifikflotte

Das ist die Realität. Und darum geht es in erster Linie. Deswegen müssen wir humanitär handeln und spenden. Und wie wäre es mit unserer Bundesmarine? Denn das wäre mal ein echter humanitärer Einsatz und kein verschleierter Kriegseinsatz.

Bildquelle: ARD/Uwe Stratmann (S1). ARD Programmdirektion/Bildredaktion, Tel. 089/59004302, Fax089/5501259, mail rita.jacobi@daserste.de