Fischer Valentin

Am Rhein v.Frech Johannes
Am Rhein v.Frech Johannes

Schmugglergeschichten aus dem alten Edigheim.  Von Edgar Nist

Man schreibt das Jahr 1830. An der badisch-pfälzischen Grenze blüht der Schmuggel. Zwischen Zollbeamten und Grenzbewohnern herrscht erbitterte Feindschaft. Schuld dran ist die kleinstaatliche Selbstsucht des Großherzogtums Baden, das sich immer noch weigert, dem Zollverbund Preußen-Hessen und Bayern-Württemberg beizutreten.

Ganze Schmugglerbanden bilden sich, die über den Rhein nach Mannheim wechseln, dort ihre Waren einkaufen und sie auf die Pfälzische Seite schaffen. Die Beamten an den Zollkontrollstellen Rheinschanze, Mundenheim, Rheingönheim, Neuhofen, Friesenheim, Edigheim, Mörsch, Roxheim und Bobenheim sind ihres Lebens nicht mehr sicher, denn die Banden scheuen sich nicht vor handgreiflichen Auseinandersetzungen, bei denen auf beiden Seiten Blut fließt.

Einer der verwegensten Schmuggler ist der Fischer-Valentin aus Edigheim. Immer wenn es gilt den verhassten Zöllnern ein Schnippchen zu schlagen ist er dabei. Und seine dreisten Schmugglertricks bringen die Lacher auf seine Seite.

Ein drückend-schwüler Julitag neigt sich seinem Ende zu. In den Büschen und Sträuchern am Rheinufer tanzen dichte Schnakenschwärme ihren sirrenden Reigen. Stürzen sich blutdürstig auf ihr Opfer. Einen Zollbeamten, der einsam seine Patrouille geht. Fluchend schlägt er sich auf Gesicht und Nacken, um die Plagegeister zu vertreiben. Da, im Gebüsch hat sich etwas bewegt. Der Grenzer bleibt stehen und lauscht. Aus den Zweigen lugt ein Gesicht hervor, sichert lauernd nach allen Seiten und verschwindet wieder. Sekunden später springt ein Mann auf den Weg und geht wie ein harmloser Wanderer davon. Auf dem Rücken trägt er einen festen Ledersack.

„Dich hab ich an Schlafittchen, Bursche“, lächelt der Zöllner grimmig vor sich hin. Langsam nähert sich die Gestalt seinem Standort. „Halt! Stehenbleiben!“ ruft er und tritt vor „Wie heißt du, und was hast du in deinem Sack, Kamerad?“ „Ich bin der Fischer-Valentin aus Edigheim und in meinem Sack hab ich nichts was verboten ist!“ „Ohne Widerrede den Sack aufgemacht!“ befiehlt der Zöllner barsch. Rasch greift er nach der Verschnürung des Sackes. „Net reilange, do sein Biene drin, Isch sag’s wie’s is“, wehrt der Valentin scheinbar verlegen ab. „Spitzbube, du willst mich wohl gewaltig über den Löffel balbieren! Denkst wohl, ich wär ein Dummkopf?“

Mit diesen Worten löst der Zöllner die Verschnürung und seine Hand fährt in den Sack. Ein Aufschrei und die Hand ist wieder aus dem Sack heraus. Ein dichter Klumpen Bienen hängt daran und löckt fleißig die brennenden Stacheln. Der Zöllner schreit und flucht. Doch er muss den grinsenden Fischer-Valentin seines Weges ziehen lassen, denn Bienen sind keine Schmugglerware.

Hätte er freilich etwas tiefer in den Sack gegriffen oder ihn ausgeleert, wäre das gesuchte Schmuggelgut doch noch zu Tage gekommen. Aber die Bienen waren halt stärker.

Wieder mal war der Valentin mit einer ganzen Bande von Mannheim herübergekommen. Während die anderen ihre Nachen voll Schmuggelgut hatten und sich selbst im Gesträch am Rheindurchstich versteckten, geht der Fischer-Valentin mit zweien seiner Kumpanen den Zöllnern entgegen. „Heda, halt ihr Burschen“, ruft der Anführer der Patrouille. „Woher kommt ihr und wo wollt ihr hin?“

Der Valentin wird blutrot im Gesicht, die anderen schauen verlegen zu Boden. „Isch hab… ich bin… isch… wollt…“ stammelt der Valentin und sein ganzer Körper beginnt zu zittern. Das schlechte Gewissen steht ihm ins Gesicht geschrieben. „Ihr habt geschwärzt, ihr Halunken. Vorwärts marsch in die Amtsstube!“

Umringt von den Zöllnern gehen die drei völlig zerknirscht in die nahe Zollstation. Dort durchsucht man sie und findet bei jedem einen Zuckerhut. „Aha, haben wir euch erwischt! Das kostet Strafe“, triumphiert der Zöllner und streicht zufrieden die wenigen Heller Zollstrafe ein. Dann entläßt er die drei Burschen. „Blutige Anfänger“ murmelt er, als sie mit hängenden Köpfen davonschleichen.

Da tönt plötzlich aus den Büschen ein vielstimmiges Lachen und Jauchzen. Der Zöllner wird blaß. Er ahnt, dass er einem Lockvogel auf den Leim gegangen ist, der ihn ablenkte, während die anderen das Schmuggelgut in Sicherheit brachten.

Soweit Edgar Nist. K.O.Braun erzählt etwas ganz anderes

So lustig sich diese Geschichten lesen, es sind wahre Begebenheiten im Kampf ums Überleben. Nach K-O-Braun hatte der Zollbezirk Rheinschanze ein Hauptzollamt, dem 117 Mann in 11 Zoll-Stationen (Rheinschanze, Mundenheim, Rheingönheim, Neuhofen, Hemshöfe, Friesenheim, Edigheim, Kanalhaus, Mörsch, Roxheim und Bobenheim) unterstanden. Energischere Mittel wurden gegen die Schmuggler angewendet. Es kam oft zu nächtlichen Zusammenstößen, Raufereien und sogar zu offenen Gefechten zwischen Zöllnern und Schmugglern.

In der Nacht vom 8. auf 9. Oktober 1830 wurden bei einem solchen Gefecht, nahe am Kanalhaus im Staatswald Hansenbusch zwei Edigheimer Schmuggler, Valentin und Wilhelm Fischer, die einer achtzig- bis 100-köpfigen Schmugglerbande angehörten, erschossen. Ein weiterer, Adam Mersinger, wurde durch eine Kugel im Bein schwer verwundet.

In dem gleichen Gefecht blieb auch der Zöllner Johann Philipp Rüllmann aus Landau mit zerschmettertem Schädel tot auf dem Platz zurück und einer seiner Kollegen ertrank bei der Flucht im Rhein. Nach mündlicher Überlieferung soll man ihn dort ertränkt haben.

Also, das alles war wohl nicht so lustig.

Quelle: Buch von Karl-Otto-Braun, „Geschichte der beiden Rheindörfer Oppau und Edigheim“ S. 496.