Mißstände im Paulinenhof – Behörde vereinbart Aufnahmestopp

Pauilinenhof Ludwigshafen-Oppau
Pauilinenhof Ludwigshafen-Oppau

Von Mensch zu Mensch, so lautet der bekannte Slogan der CASA REHA Holding GmbH aus Oberursel, dem Betreiber des Pro-Vita Seniorenheimes „Paulinenhof“ in Ludwigshafen-Oppau. Die Holding zählt mit derzeit 61 Häusern zu den grösseren Anbietern in dieser Branche. „Von Mensch zu Mensch – diesen Leitsatz setzen alle Mitarbeiter täglich liebevoll in die Tat um“, so schreibt der Betreiber besonders deutlich auf seine Internetseite. Daß dies nicht immer zutrifft, erfahren derzeitig die Bewohner des Paulinenhofes in Ludwigshafen.

Den Stein ins Rollen, brachte jetzt eine ehemalige Mitarbeiterin, die Anfang der Woche kündigte, weil sie die Zustände nicht mehr mit Ihrem Gewissen vereinbaren konnte. Es geht um Fixierung ohne Beschluss, Bewohner die in Urin und Kot liegen und unterversorgt sind. Seit heute Nachmittag sind Kripo, Staatsanwaltschaft und die Medien informiert. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich zunächst an die Unternehmensführung in Oberursel, weil die kommissarische Leitung, sowie die kommissarische Pflegedienstleitung eineinhalb Wochen lang nicht reagierten. Selbst Angehörige beschwerten sich bereits erfolglos.

Die ehemalige Mitarbeiterin erhebt schwere Vorwürfe gegenüber der kommissarischen Heimleitung und kommissarische Pflegedienstleitung bei den zuständigen Behörden.
Mir geht es nicht um die Casa Reha Unternehmensführung, sondern die Leitung vor Ort, so die ehemalige Mitarbeiterin unmissverständlich.

Es geht unter Anderem um den Fall einer Bewohnerin und deren widerrechtliche Fixierung in ihrem Bett.

Die zuständige Nachtschwester hatte das Gitter des Bettes hochgezogen, so dass diese Bewohnerin nicht mehr ihr Bett verlassen konnte. Zu dieser Zeit hatte die Frau schweren Durchfall. Sie steckte ihre Beine durch das Gitter, weil sie offensichtlich versuchte, aus dem Bett zu gelangen und blieb dabei stecken. Sie konnte sich weder vorwärts, noch rückwärts bewegen und lag nun unbestimmte Zeit in ihrem Durchfall und Urin. Ein am Morgen von der Frühschicht hinzu gerufener Bereitsschaftsarzt liess die Frau medizinisch notversorgen. In ihrem Zimmer wurde kein Trinkbecher gesehen. So ging das anwesende Personal sogar von einer eventuellen Dehydrierung (Wassermangel) aus.

Das Verhalten der Nachtschwester war unverantwortlich. Das war eine Fixierung ohne richterlichen Beschluss. Das kommt einer Freiheitsberaubung gleich, da es sich bereits um einen geschlossenen Wohnbereich handelt. Bilder und eine Notiz über den Vorfall wurden von uns, den anwesenden Pflegekräften unterschrieben und an die Leitung weitergereicht.
In einem weiteren Fall, ging es um das Schlagen eines Bewohners. Dies brachte dann für sie das Faß zum Überlaufen. Die ehemalige Mitarbeiterin wurde von einer Angehörigen auf den Vorfall aufmerksam gemacht. Diese hatte beobachtet, wie der Pfleger einen Bewohner schlug, weil er nicht so mitmachen wollte, wie der Mitarbeiter sich das vorstellte. Am Montag früh informierte die Angehörige eines anderen Bewohners die Heimleitung. Der kommissarische Heimleiter erkundigte sich im Laufe des Vormittags bei der ehemaligen Mitarbeiterin, über die Angelegenheit. Sie schilderte was ihr bekannt war. Danach fand mittags lediglich ein kurzes Gespräch mit dem betroffenen Pfleger statt. Er durfte danach wieder normal seinen Dienst antreten.

Zusätzlich hatte ich beim Wiegen am Sonntag festgestellt, dass mehrere Bewohner abgenommen hatten. Obwohl ich mehrfach darauf hingewiesen hatte, das speziell bei 3 Bewohnern das Essen unbedingt gereicht werden muss, da diese stark untergewichtig sind und nicht alleine essen können.

Das war für die Pflege-Hilfskraft der Schlusspunkt. Sie reichte ihre Kündigung am Montag ein und setzte sich telefonisch, nachdem sie am Donnerstag von weiteren Angehörigen über die katastrophalen Zustände informiert wurde, mit der Unternehmensführung in Oberursel in Verbindung um Hilfe zu erhalten.

Da der Geschäftsführer sich zur Zeit in Urlaub befindet, wurde sie mit dem Qualitätsmanagement verbunden. Die leitende Mitarbeiterin hörte sich die lange Beschwerde an und reagierte schnell, in dem sie den zuständigen Regionalleiter anwies, sich umgehend mit der Mitarbeiterin in Verbindung zu setzen. Der Regionalleiter vereinbarte daraufhin ein Treffen für den kommenden Montag, allerdings nicht im Paulinenhof, sondern in einem nahegelegenen Eiscafe. Während des Telefonates mit der Zentrale in Oberursel schilderte die Mitarbeiterin die ihr bekannten Fälle nochmals ausführlich und wies auf generelle Mißstände hin.

Wir haben uns mit 2 Angehörigen kurzfristig telefonisch in Verbindung gesetzt, um Näheres zu erfahren.
Eine Angehörige, deren Mann sich im Paulinenhof befindet, bestätigte uns heute vormittag am Telefon:

Meinem Mann geht es sehr schlecht. Er hat stark abgenommen. Ich habe grosse Angst, dass ihm etwas passiert. Wir haben uns an die Heimaufsicht, mit der Bitte um sofortige Hilfe, gewendet“. „Dort sagte man uns lediglich, dass wir uns besser mit dem Träger oder der Leitung „gütlich“ einigen sollen. Wir sind verzweifelt. Ich suche dringend einen anderen Platz für meinen Mann.

Die Heimaufsicht sollte in solchen Fällen zeitnah eine Kontrolle durchführen.

Eine zweite Angehörige, die ebenfalls ihren Mann in dieser Station hat, bestätigte uns die Situation. Sie alle sind wütend und haben mehrfach versucht die Heimleitung zum Handeln zu bewegen.

Die Situation eskaliert

Die Situation im gesamten Paulinenhof ist alarmierend. Hohe Krankenstände, überfordertes Personal und ständige Wechsel lassen das Haus und seine Bewohner nicht zur Ruhe kommen. Die einsatzbereiten Mitarbeiter sind körperlich am Ende. Menschen die mit Pflegestufe 3 in der Station leben, bekommen nur noch ein Minimum an Pflege.

Für mehr ist keine Zeit. Wir sind oft nur zu zweit. Wir haben zuviele Bewohner mit teilweise hohem Pflegeaufwand und sollen dann die notwendige Betreuung gewährleisten. Das schaffen wir nicht. Angefordertes Servicepersonal steht selten und eher unregelmäßig zur Verfügung.

Auch die wenigen Raumpflegerinnen werden der Situation nicht mehr Herr. Bewohner aus dem gesamten Haus beschwerten sich bereits schriftlich über die unzumutbaren Zustände. Im Haus liegt öfter ein unangenehmer Geruch in der Luft. Am Ende fand das Gespräch der ehemaligen Mitarbeiterin mit dem Regionalleiter nicht mehr statt.

Im Laufe des Freitags erfuhr die Pflegehilfskraft, dass auf der Station ein Bewohner verstorben war. Das war für Sie der Schlusspunkt. Eine letzte SMS an den Regionalleiter mit der dringenden Aufforderung sich zu melden, blieb unbeantwortet.

Ich war geschockt. erzählte Sie

Der Verstorbene war Einer der drei Bewohner, die von ihr als untergewichtig und dringend handlungsbedürftig gemeldet wurden …

Hinweis der Redaktion

Da sich in den letzten Tagen die Widersprüche in den Medien häuften, haben wir uns entschieden keine gesonderten Updates mehr zu veröffentlichen. Insbesondere der in den Medien entstandene Eindruck, die ehemalige Mitarbeiterin hätte wegen dem Todesfall Anzeige erstattet, entspricht in keinster Weise der Wahrheit.  Wir haben daher die Updates und Stellungnahmen entfernt, um uns auf offizielle Verlautbarungen zu konzentrieren.

UPDATE 24.09. 2012

Das Pflege- und Seniorenheim „Paulinenhof“in Ludwigshafen-Oppau ist Anfang September wegen einer Anzeige einer ehemaligen Pflegekraft in die regionale Presse geraten. Unter anderem geht die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV), den Vorwürfen nach.

Laut des zuständigen Pressesprechers des LSJV habe sich mittlerweile das Seniorenheim „nach einem intensiven und konstruktiven Beratungsprozess durch die zuständige Beratungs- und Prüfbehörde“ verpflichtet, zunächst bis Jahresende keine zusätzlichen  Bewohnerinnen bzw. Bewohner aufzunehmen.

Im Rahmen der Aufklärung habe sich der „Paulinenhof“ verbindlich verpflichtet, bis Jahresende die jetzige Bewohnerzahl von 128 nicht zu überschreiten, das bedeute, dass mindestens 20 Plätze unbelegt bleiben werden.