Volkstrauertag 2016 in Oppau

Volkstrauertag 2016. Ortsvorsteher Udo Scheuermann.
Volkstrauertag 2016. Ortsvorsteher Udo Scheuermann.

Oppau – Die Arbeitsgemeinschaften von Oppau, Edigheim und Pfingstweide veranstalteten in der Oppauer Auferstehungskirche am 13. November 2016 eine gemeinsame Gedenkfeier zum Volkstrauertag.

Volkstrauertag 2016. Pfarrer Stefan Müller
Volkstrauertag 2016. Pfarrer Stefan Müller

Organisiert wurde die Veranstaltung vom VdK Sozialverband Oppau, Edigheim, Pfingstweide.

Den musikalischen Rahmen gestaltete der Sängerbund Oppau 1900 e. V. mit seinem Chorgesang.

Ansprachen hielten Pfarrer Stefan Müller und Ortsvorsteher Udo Scheuermann (Text siehe im Anhang).

Schüler des WHG Edigheim mit Rollenspiel "John Brown"
Schüler des WHG Edigheim mit Rollenspiel „John Brown“

Von den Schülern des Wilhelm von Humboldt Gymnasiums wurde ein Rollenspiel vorgetragen. Die Leitung der Theater-AG hatten von Frau Lavinia Kuthe und Herr Fabian Jaquier, den Leistungskurs Geschichte hatten Frau Jeanette Fischer-Kuhn und Herr Andreas Klaes.

Entstanden ist ein Beindruckendes und nachdenkliches Spiel nach dem Songtext „John Brown“ von Bob Dylan: John Brown zieht in den Krieg, als er wiederkommt  weicht der Stolz seiner Mutter dem Entsetzen über seinen zerschossenen Körper, dafür legt er Medaillen in ihre Hände.

Ansprache von Ortsvorsteher Udo Scheuermann:

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute an diesem Volkstrauertag, gedenken die Menschen der Opfer der beiden Weltkriege und der Opfer von Gewaltherrschaft und Terror. Sie gehen an die Gedenkstätten und Friedhöfen, um Inne zu halten und Erinnerungen wach rufen. Sie versammeln sich, um an die Menschen, die im Krieg und durch Gewaltherrschaft ihr Leben lassen mussten, zu erinnern. Besonders für diejenigen unter uns, die selbst Angehörige zu beklagen haben, ist dies ein besonders trauriger Tag. Doch für die jüngeren Deutschen wird dieser Volkstrauertag an Bedeutung verlieren. Sie haben diese Zeit nicht miterlebt und können dieses Leid nicht nachempfinden.

Meine Generation, die nach 1945 geboren wurde, ist in der glücklichen Situation, in den vergangenen 71 Jahren, keinen Krieg erlebt zu haben. Gerade deshalb sind solche Gedenktage wichtig, um an schreckliche Geschehnisse zu erinnern und das Bewusstsein stärken, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Sicherlich kann ein solcher Gedenktag die Einstellung zu diesem Volkstrauertag und schon gar nicht die Welt verändern. Er trägt aber dazu bei, unsere Sicht auf die Vergangenheit und unsere Deutung der Gegenwart zu beeinflussen. Insofern hat dieser Tag einen tiefen Sinn – ja seine besondere Berechtigung.

Bei den Vorbereitungen auf den heutigen Tag, habe ich mich wieder gefragt: was wäre, wenn der VdK Oppau und die Arbeitsgemeinschaften der Vereine nicht eingeladen hätten, oder wenn der Tag als Volkstrauertag gar nicht im Kalender stünde? Würden trotzdem noch so viele Menschen am heutigen Tag der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedenken? Ja sogar nicht mehr diejenigen, die persönlich betroffen sind. Es ist kein Tag der Staatstrauer, sondern ein Tag der gemeinsamen Trauer der Menschen. Und für diese Trauer bedarf es keiner direkten Verwandtschaft mit denen, die gestorben sind. Dieser Tag soll uns Deutsche daran erinnern, wie vor über siebzig Jahren die Menschen in der Welt Leid, Terror und Tod ertragen mussten.

Die Zeit des Ersten und Zweiten Weltkrieges, der Nazi-Diktatur und die Zeit nach Kriegsende, war so grausam und dadurch so prägend für unser Land, ja für die Menschheit, dass wir uns einfach erinnern müssen. Um wen trauern wir, wenn es nicht um unsere direkten Angehörigen geht? Über 70 Jahre nach Kriegsende stehen wir weiterhin fassungslos vor den Zahlen der Ermordeten, der gefallenen Soldaten und der Toten in Zivilbevölkerung.

55 Millionen starben durch den Zweiten Weltkrieg, darunter allein 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion und 10 Millionen aus China. 6 Millionen Juden und Jüdinnen aus ganz Europa wurden von Deutschen ermordet. 5,3 Millionen deutsche Soldaten und 1,75 Millionen deutsche Zivilisten starben. 6 Millionen Polen starben im Krieg, kamen während der deutschen Besatzung um oder wurden ermordet. 200 000 Sinti und Roma, 300 000 körperlich oder psychisch Kranke wurden ermordet.

Diese Liste der Opferzahlen könnte noch länger ausgeführt werden. Und dennoch erreichen diese Zahlen, so erschreckend sie sind, meist nicht unser Herz und unser Vorstellungsvermögen. Erst wenn wir uns bewusst machen, dass hinter diesen Zahlen einzelne Menschen und Schicksale stehen, beginnen wir den Verlust zu fühlen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass jeder von ihnen einen Vater und eine Mutter, Kinder, Lebenspartner und Freunde hatte, so erkennen wir die Tragik vergangener Geschichte.
Leider zeigt uns die Gegenwart allzu deutlich, wie bedroht unser Friede und unser Zusammenleben in Europa und der Welt sind.

Wir bekommen, wenn wir unser Fernsehgerät einschalten oder die Tageszeitung aufschlagen, Krieg und Elend live in unsere Wohnstube gebracht. Die Medien konfrontieren uns ständig mit schlimmen Verbrechen an Menschen. Aber denken wir darüber nach, welche Konsequenzen es für uns hat? Leider zeigt uns die Gegenwart allzu deutlich, dass wir uns mit der Vergangenheit viel zu wenig beschäftigen. Auch in unseren Tagen gehören Terror und Willkür, Gewaltanwendung und Folter, Menschenrechtsverletzungen aller Art, weiterhin zur bitteren Realität. Täglich erreichen uns neue Schreckensmeldungen über Tote, Bürgerkriege und Massenelend überall auf der Welt. Solange immer noch Menschen glauben, politische, wirtschaftliche, ethnische oder religiöse Konflikte mit Waffengewalt lösen zu können, wird sich am Elend vieler Menschen nichts ändern.

Die globale Welt hat sich verändert. Wir haben aber nicht gelernt mit den daraus entstehenden Herausforderungen richtig umzugehen. Wer meint, die Menschen in Entwicklungsländern durch die eigenen politischen Vertretungen zu terrorisieren oder durch ausländische Kräfte zu beeinflussen und wirtschaftlich auszubeuten, der handelt unverantwortlich an diesen Völkern.

Eine verfehlte Entwicklungshilfe, das Ausbeuten vieler Staaten und der Mut konsequent den politischen Verantwortlichen zu sagen, was man über ihre Amtsführung denkt, blieb oft im Eigeninteresse aus.

Es steht die Gewinnsucht im Vordergrund. Wirtschaftliche Ausbeutung, und das lukrative Geschäft mit Waffen bringt die Menschen in diesen Ländern in schwierige Situationen. Gerade die Waffenlieferungen in diese nicht demokratisch stabilen Staaten haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Deshalb brauchen wir uns nicht zu wundern – denn wer Krieg sät – wird Flüchtlinge ernten.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn sich Menschen für ein besseres Leben auf den Weg machen. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass es auch einmal Zeiten in Deutschland gab, in denen Menschen wegen eines besseren wirtschaftlichen Lebens auswanderten oder wegen der Kriegsereignisse im Zweiten Weltkrieg, ihre Kinder und ältere Menschen in ruhigere Gegenden evakuierten und dort aufgenommen wurden.
Wir waren auch froh darüber, dass wegen des Naziterrors verfolgte Menschen in benachbarten Ländern Zuflucht fanden. Sollten wir das schon vergessen haben?

Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, denen die bei den Pegida Demonstrationen sich als unser Volk darstellen, aufzuzeigen, dass sie einen gefährlichen Weg für unsere Gemeinschaft gehen. Dies ist nicht unser Volk in Deutschland. Unsere mehrheitliche Bevölkerung hat in all den Jahren darauf hingearbeitet, in Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Frieden leben zu wollen. Dieses hohe Gut müssen wir verteidigen und alles daran setzten, den Gruppierungen die Stirn zeigen, die unseren Rechtsstaat untergraben. Wir müssen alles daran setzen, um Stammtischgesprächen und Volksverhetzern keinen Spielraum zu geben.

Viel miteinander reden, sich verständlich machen, berechtigte Anliegen austauschen, um gegenseitiges Verstehen zu ermöglichen. Das ist das Gebot der Stunde, um Vorurteile nicht erst aufkommen zu lassen und gemeinsam gegen Brunnenvergifter vorzugehen,

Meine sehr geehrte Damen und Herren,

wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, der Freiheit, dem Frieden, der Gerechtigkeit und der Demokratie großen Raum zu bieten. Wir müssen immer wachsam bleiben, um unsere hart errungenen Werte zu verteidigen. Wenn wir Frieden und Demokratie wollen, dann kann uns nicht gleichgültig sein, was wo passiert. Die Welt ist klein geworden. Überall auf der Welt gibt es Rassismus, Kriege um die Macht oder um religiösen Glauben.

Wir müssen unermüdliche und unbequeme Mahner bleiben und im Blick auf die vielen Gräber versuchen, Wege aufzuzeigen, die es ermöglichen, Probleme ohne Gewalt und ohne blutige Auseinandersetzungen zu lösen. Wir müssen der Jugend und nachfolgenden Generationen die Fehler der Vergangenheit ständig vor Auge führen. Sie erziehen, unsere wertvollen Werte des Zusammenlebens auf dieser Welt ständig zu verbessern und einzufordern.

Ich freue mich, dass Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften des Wilhelm von Humboldt Gymnasium, wieder diese Gedenkfeier mitgestalten. Ich danke Pfarrer Stefan Müller für seine Worte, danke dem Sängerbund Oppau für seine musikalische Begleitung und danke Ihnen allen, dass Sie heute hier waren.

Nutzen wir über den Volkstrauertag hinaus, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, damit wir uns unserer Werte versichern, damit wir Orientierung finden, damit wir solidarisch und in Verantwortung miteinander und füreinander handeln.

Lassen Sie uns den Volkstrauertag als Mahnung verstehen.

Udo Scheuermann, Orstvorsteher Oppau, Edigheim und Pfingstweide